Kommentar und persönliche Meinung unseres Spitzenspielers FM Ulrich Zenker
(und nicht die offizielle Auffassung der Vorstandschaft der Schachunion)
Liebe Schachfreunde !
Das Coronavirus beeinflusst derzeit unseren Alltag in einer Art und Weise, wie man es sich vor wenigen Wochen noch nicht vorstellen konnte. Vorgestern wurde von der bayerischen Regierung die Schließung aller Schulen bis 19. April angeordnet – eine Maßnahme, die weit über das vernünftige Maß des Notwendigen hinausgeht. Weder waren bisher Hauptübertragungswege des Virus die Schulen, noch ist verständlich, warum gleich über einen Zeitraum von über einem Monat diese Maßnahme gelten soll. Infolge dieser Entscheidung haben, einer Kettenreaktion ähnlich, viele Leiter aller denkbaren Veranstaltungen ähnlich reagiert, z. B. auch der Bayerische Schachbund, der die Mannschaftskämpfe vieler Ligen abgesagt hat. Anstatt Besonnenheit macht sich Kopflosigkeit breit, getriggert durch Angst und begleitet vom fehlenden Mut, sich dem Herdentrieb entgegen zu stellen – es gilt das Motto: nur ja keine Verantwortung für seine Entscheidung übernehmen müssen…
8 gesunde Spieler einer Mannschaft dürfen sich also nicht mehr mit 8 gesunden Spielern einer anderen Mannschaft treffen, um Schach zu spielen. Für den Fall, dass einer der Beteiligten in den Tagen nach einem Wettkampf doch krank werden würde, wäre es kein Problem, die Infektionskette zurück zu verfolgen, denn die Spieler sind ja alle namentlich bekannt. Wo ist also das Problem ? Soll ganz Bayern / ganz Deutschland in Quarantäne zwangsversetzt werden ?
Wählen gehen dürften wir aber schon. Gerade komme ich aus dem Wahllokal wieder nach Hause, habe auf dem Weg dorthin und wieder zurück mit ca. 50 Leuten, deren Name ich nicht kenne, den Weg gekreuzt und mich dem Risiko einer Infektion ausgesetzt – und morgen früh fahren Tausende von Pendlern wieder mit der S-Bahn nach München, ohne dass dies verboten wird. Beim Schachspiel besteht aber offenbar ein besonders hohes Ansteckungsrisiko…
Zu einer objektiven Betrachtung scheint derzeit kaum ein Entscheidungsträger in der Lage zu sein. Die Erkrankung, die durch das Virus ausgelöst wird, ist ein gewöhnlicher Atemwegsinfekt, der nur in sehr wenigen Fällen zu ernsthaften und lebensbedrohlichen Zuständen führt. In ähnlicher Form werden jeden Winter Hunderttausende in Deutschland von einem viralen Infekt befallen und es sterben jedes Jahr auch Tausende an nachfolgenden Komplikationen wie einer Lungenentzündung – das ist normal und niemand gerät darüber in Panik. Auch junge Leute sind manchmal die Opfer, z. B. einer tödlichen Herzrhythmusstörung, wenn jemand nach einem Infekt zu früh wieder mit dem Sport beginnt.
Es ist zu hoffen, dass die Verantwortlichen bald wieder einen klaren Blick für die Gesamtsituation bekommen und dann wieder Normalität in unser Leben einkehren kann.
Leider haben durch diese Entwicklung die Mannschaftsmeisterschaften, an denen wir teilnehmen, ein vorläufiges Ende gefunden. Ob die letzten beiden Runden noch stattfinden werden, erscheint derzeit fraglich, denn wie jeder weiß, ist der Terminplan auch in den Monaten zwischen Ostern und den Sommerferien gesteckt voll – viele andere Turniere (Open, Freiluftschachturniere etc.) finden Jahr um Jahr zu ähnlichen Zeiten statt – ganz abgesehen davon, dass die Motivation, die Mannschaftsmeisterschaft zu Ende zu spielen, bei vielen Spielern (verständlicher Weise) sinken wird, je länger die Zwangspause ist. Den Kampf gegen den Abstieg werden wir an den Brettern vielleicht nicht mehr austragen können.
Aber was soll‘s ! Nun sitze ich eben heute schon vor meinem PC und nicht am Brett und stelle die Höhepunkte der Saison (der 1. Mannschaft) zusammen, eingeteilt in die Themen Strategie, Taktik und Endspiel. Auch wenn wir uns gegen den Abstieg nicht mehr wehren können sollten – wir können, manchmal zumindest, ganz einfallsreiches Schach spielen. Viel Spaß beim Nachspielen ! (Durch Anklicken der Notation werden Diagramme eingeblendet !)
Strategie
Christian Peter – Georg Angermaier:
Chris geht lehrbuchmäßig die moderne Verteidigung seines Gegners mit 12. e5 ! an. Danach harmonieren seine Figuren einfach besser und der Gegner wird nach 15. Se4 vor keine leichte Aufgabe gestellt. Prompt greift er fehl, die f-Linie öffnet sich, was den weißen Figuren noch mehr Aktivität einbringt. Kein Wunder, dass Schwarz auf einmal völlig verloren ist !
Georg Kislinger – Bruno Bartl
Hier zeigt Georg ebenfalls lehrbuchmäßig, dass die scheinbar schlechte weiße Bauernstruktur (isolierter rückständiger Bauer auf c3) keineswegs schlecht ist. In Wirklichkeit hat Weiß alles im Griff ! Die Aktivität der beiden weißen Läufer und die halboffene b-Linie sind mehr als Kompensation dafür ! Bald wird klar, dass der schwarze Springer auf c4 in eine Sackgasse geraten ist und Schwarz (nach 25 Zügen !) immer noch immense Entwicklungsprobleme hat. Im Grunde ist die Partie hier schon nicht mehr zu retten – auch nicht, oder erst recht nicht, als nur noch Türme und ungleichfarbige Läufer am Brett sind. Witziger Weise bringt gerade c-Bauer die Entscheidung !
Stefans Kasims – Vaclav Simacek:
Unser Youngster zeigt in dieser Partie ein typisches Vorgehen, wenn der Gegner (der hier gut 150 DWZ-Punkte mehr auf dem Buckel hatte !) gegen Eröffnungsprinzipien verstößt: Schwarz spielt im 4. Zug h7-h6 (?). Jetzt ist Tempo angesagt; Weiß verliert keine Zeit, setzt Schwarz mit jedem der folgenden Züge vor konkrete Probleme: Nach 7. Db3 ! hätte Schwarz die unnatürliche Fortsetzung 7. …Sd4: 8. ed4: Ld6 finden müssen, um die Partie noch ausgeglichen zu halten. Nach 7. …Sa5 geht ein Bauer verloren. Auch danach behält Weiß die Initiative und fährt einen schnellen und überzeugenden Sieg ein.
Volker Thome (1920) – Gino Haussmann (1762)
Gino Haussmann widerlegt hier lehrbuchartig den 8. Zug von Schwarz (Lc7 ?): 8. …c4 ! 9. Lb6: Ld6 ! Schwarz gewinnt wegen der Drohungen …Ta6 und …Sd7 den Bauern zurück und steht danach besser. Ein Motiv, das sich jeder merken sollte, wenn er das Londoner System mit diesem Aufbau (e6, d5, c5) bekämpfen will !
Seine Überlegenheit im Zentrum gibt Schwarz das bessere Spiel; bald schon folgt ein Bauerngewinn und auch die Realisierung dieses Vorteil gelingt Gino einwandfrei ! Eine der besten Partien der Saison !
Taktik
Ulrich Zenker – Andreas Bergerhoff:
Stellung nach 26. … Dh6
Weiß steht besser, keine Frage. Mit Zügen wie 27. Te1 oder 27. Se2 kann er weiter Druck machen. Es gibt aber eine Fortsetzung, die zu klarem Materialgewinn führt. Welche ?
(Lösung am Ende des Beitrags)
Christian Peter – Asim Muharemagic:
Stellung nach 16. …Se4-c5
Wie kann Weiß nun einen Bauern gewinnen ?
(Lösung am Ende des Beitrages)
Edwin Huber – Ulrich Zenker:
Stellung nach 25. Ke1
Schwarz hat einen Turm geopfert und mobilisiert hier mit 25. … Lb7 ! seine Reserven. Nach 26. Db7: Da2: 27. Sd7 war diese Stellung am Brett.
Wie soll Schwarz nun fortsetzen ?
(Lösung am Ende des Beitrages)
Endspiel
Ulrich Zenker – Ilya Manakov
Stellung nach 49. Ld4
Das erfolgreiche Ende eines zähen und langen Verteidigungskampfes: Es folgte 49. … Sc3: 50. Lc3: Kc3: 51. Ta6: b4
Wie muss Weiß nun spielen, um remis zu halten ? 52. Tb6, 52. Tc6 oder 52. Th6 ?
(Lösung am Ende des Beitrages)
Fabian Thiel – Arpad Guzsvany
Stellung nach 49. Ke2
Wie kann Schwarz am Zug gewinnen ?
(Lösung am Ende des Beitrages)
Lösungen
Ulrich Zenker – Andreas Bergerhoff:
Weiß gewinnt mit 27. Le6: !
Hier die ganze Partie:
Christian Peter – Asim Muharemagic:
Weiß gewinnt mit 17. Lh7: ganz einfach einen Bauern. Hier die Partie, in der sich Chris nach dem Bauerngewinn die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lässt.
Edwin Huber – Ulrich Zenker:
Schwarz fand den teuflischen „stillen“ Zug 27. …Dc2 !, nach dem die Partie nicht mehr zu retten ist (auch 27. …Dc4 mit den gleichen Ideen wäre eine „Nebenlösung“).
Hier die ganze Partie:
Ulrich Zenker – Ilya Manakov
Der richtige Zug ist 52. Tc6 !
Hier die ganze Partie:
Fabian Thiel – Arpad Guzsvany
Hier gewinnt ganz einfach 54. …g4 ! Das Motiv einer eingeschlossenen Figur tritt im Endspiel eher selten auf, ist aber dann oft umso schöner
Auch hier noch die ganze Partie:
Ulrich Zenker
Wer hamstert so spät bei Nacht und Wind ?
Es ist der Deutsche, der wieder spinnt.
Er hat die Nudeln wohl im Arm,
und Klopapier, für seinen Darm.
Mein Sohn, was birgst Du so bang Dein Gesicht ?
Siehst Vater, Du, denn Nachrichten nicht ?
Die Pandemie von Corona, sie naht….
Mein Sohn, Hygiene Dich bewahrt.
Mein Vater, mein Vater, doch hörest Du nicht
wie die Grundversorgung zusammen bricht ?
Sei ruhig, bleib ruhig mein angstvoller Sohn
es reicht die Seife zur Desinfektion.
Mein Vater, mein Vater, und siehst Du nicht dort…
Mehl und auch Nudeln sind längst schon fort !
Mein Sohn, mein Sohn, bedenke: wir geh’n
nicht gleich für Jahrzehnte in d’ Quarantän‘.
Bleib ruhig und besonnen mein rastloses Kind,
wenn beim Händ‘ waschen nur wir alle sorgsam sind,
dann leiden wir alle auch gar keine Not…
Also horte nicht Klopapier wie ein Idiot !
Ein Gedanke zu “1. Mannschaft: Sind wir schon abgestiegen ?”
Ich bin ehrlich gesagt anderer Meinung, da dieses Virus offensichtlich infektiöser ist als die herkömmlichen Viren. Und ich habe bis einschließlich Dienstag vor Ort mitbekommen, was am Klinikum Großhadern gerade abgeht. Aber genau wissen werden wir es erst in paar Monaten, ob diese Einschränkungen nun gerechtfertigt sind oder nicht. In diesem Sinne, passt auf Euch auf, und auf hoffentlich viele weitere denkwürdige Schachpartien, egal in welcher Liga!!!